Pegel 2: richtig aussteuern, analog

Heute will ich mich mal dem Thema Aussteuerung zuwenden. Richtig aussteuern ist nämlich ein Kunst und wird viel zu oft vernachlässigt. Was heißt “aussteuern” eigentlich? Ganz einfach: die korrekte Einstellung des Aufnahme-  oder Wiedergabe-Pegels im gesamten System. Wenn du einen guten Sound auf deiner Aufnahme, deiner Mischung, deinem Livemix haben willst, ist die Einstellung des  richtigen Pegels von grundlegender Bedeutung. Wer hier schlampt, kriegt am Ende nur Müll! Zum Verständnis sollte dir der Begriff Pegel klar sein. Wenn nicht, schau dir vorher meinen Beitrag: “Pegel, was ist das?” an.

Grundsätzlich wird ein guter Pegel von 2 Grenzen bestimmt:

  • nach unten hin vom Rauschen: alles was diese Grenze unterschreitet, versinkt im Rauschen.
  • nach oben hin von Verzerrungen durch Übersteuerung. Alles was eine bestimmte Obergrenze überschreitet, klingt verzerrt und unsauber.

Es ist erst einmal egal, ob du analog, oder digital arbeitest. Diese beiden Eckpunkte gibt es immer, sie sehen nur im Detail anders aus und die Grenzen liegen woanders. Auch lasse ich zunächst die unterschiedlichen Typen von Aussteuerungsanzeigen weg. Dazu kommen wir später.

Wenden wir uns zunächst der Analogtechnik zu, denn das Meiste hier ist auf die Digitaltechnik übertragbar. Folgendes Beispiel: du willst eine Akustik-Gitarre auf Band aufnehmen. Dafür kommt folgende Technik zum Einsatz:

  • 1 Mikrofon
  • 1 Mischpult, der Einfachheit halber ein kleiner Mixer ohne Subgruppen
  • 1 Bandmaschine

Beim Mikrofon ist erst einmal nicht so viel zu beachten, außer die Positionierung und die Vordämpfung. Bist du zu dicht dran, wummert’s böse. Bist du zu weit weg, wird’s leise, dünn und man hört zuviel Raumanteil. Die Vordämpfung sollte bei einer Gitarre aus sein, sonst liefert das Mikro zu wenig Pegel und wir haben den ersten Fehler im System.

Beim Mischpult wird es schon komplexer, da haben wir mehrere Baugruppen:

  • die Eingangsektion mit der Vorverstärkung (Gain)
  • die Kanal-Entzerrung (Channel-EQ)
  • den Kanal-Fader
  • die Master-Sektion mit Masterfader und Aussteuerungsanzeige. Von hier soll’s auf die Bandmaschine gehen.

Deine Abhöre vernachlässigen wir erst einmal. Hat dein Mixer eine SOLO- oder PFL-Schaltung, dann benutze sie jetzt! Drehe den Gain-Regler ganz nach links und drücke die SOLO / PFL-Taste im Inputkanal und beobachte die Aussteuerungsanzeige im Master. Hier wird normaler Weise jetzt der PFL-Pegel des Inputs angezeigt. Größere Mischpulte haben manchmal eine eigene Anzeige für den PFL-Pegel. Lass nun den Gitarristen spielen (das, was später aufgenommen werden soll) und drehe den Gain langsam auf, bis an den lautesten Stellen der PFL-Pegel bei ca. +6 dB liegt. Gleichzeitig musst du das Signal über deine Abhöre auf Sauberkeit kontrollieren. Stimmt alles, kannst du den Kanalfader öffnen (= 0dB)  und den Masterfader langsam hochfahren. Beobachte die Aussteuerungsanzeige an der Bandmaschine. Sie sollte, genau wie der PFL-Pegel in den Spitzen +6 dB nicht überschreiten. Nun könntest du die Aufnahme starten.

Hat dein Mixer keine SOLO oder PFL-Schaltung (Homerecording), wird das ganze etwas fummeliger, aber nicht unmöglich. Um den Gain zu justiern musst du dann erst den Kanalfader + Masterfader auf 0dB stellen. Achtung: Abhöre leiser drehen. Könnte sonst das Trommelfell, oder die guten Beziehungen zu den Nachbarn kosten! Nun den Gain einstellen und dabei die Aussteuerungsanzeige im Master beobachten.

Bei der Bandmaschine ist schon mehr Vorsicht gefragt. Hier ist das Bandmaterial selbst der begrenzende Faktor. Ein Signal unter -35 bis -40dB versinkt schnell im Bandrauschen, wenn kein Dolby zur Hand ist. Nach oben hin beginnen die Übersteuerungen weich. Erst ab 3% Signalanteil werden sie deutlich hörbar, man spricht auch von 3% T.H.D. (Third Harmonic Distortion). Wo hier die genaue Grenze liegt, hängt vom verwendeten Bandmaterial und der Maschine ab. Ebenso von der Einmessung der Maschine. In den Spitzen darf man meist schon mal +6dB berühren. Ein Dauerpegel in dieser Stärke ist aber eine garantierte Übersteuerung und mit Sicherheit hörbar. Ganz abgekochte Jungs nutzen diese Übersteuerungsgrenze ganz bewusst um  “Sound zu machen”. Dabei fährt man den Pegel dicht an die Übersteuerungsgrenze heran in die so genannte Bandsättigung. In diesem Bereich, kurz vor der richtigen Übersteuerung, arbeitet das Band nicht mehr so ganz linear. Das klingt dann ein bisschen wie ein Multibandkompressor und hat in bestimmten Fällen durchaus seinen Reiz.

Noch was Allgemeines: analoge Mischpulte / Mixer sind heute recht übersteuerungsfest. Hier kann und soll man also hohe Pegel fahren, ohne gleich Angst vor Übersteuerungen zu haben. Aber Vorsicht: qualmende Kondensatoren und OP-Amps schreien eher nach Feuerlöscher, als nach Plattenvertrag. Wenn du den Channel-EQ einsetzt, musst du auch wieder den Gesamtpegel im Blick haben. Hebst du einen Frequenzbereich deutlich an, steigt somit auch der Gesamtpegel im Kanal! Es kann durchaus passieren, dass zu wilde EQ-Einstellungen eine Korrektur des Gains bedingen, sonst zerrts.

Die Mischung: hier gilt natürlich das gleiche für alle Kanäle. Jeden Kanal zu Beginn korrekt einpegeln! Diese Arbeit musst du dir schon machen, willst du keinen Klangbrei abliefern. In großen Tonstudios sind Bandmaschinen und Mischpult korrekt auf einander eingemessen (sollten sie!). Kommt also 0dB vom Band liegen auch wirklich 0dB am Pult an. Das erspart ne Menge Arbeit. Live ist das natürlich anders.

Und jetzt beginnt der Pegelkampf: hast du die Inputs sauber eingepegelt, geht während der Mischung ständig der Blick zum Master. Bei 32 aktiven Inputsignalen, alle Fader oben, gibts schnell ne Übersteuerung im Master. Also nicht Gain, sondern Kanalfader runter. Hat man aber gerade seinen Traum-Drummix erstellt, wirds ärgerlich. Daher erfand der Mischpultgott die Subgruppen (Subgroup). Einfach alle Drum-channels mit den Effekten auf eine Subgroup geroutet und schon ist das Problem gelöst.

Im Studio kommt es im Master auf einen hohen guten Pegel an. Der ist so in der Mischung schnell erreicht. Live ist das schon anders: hier kann bei voll aufgerissenem Masterfader schon mal das Holz von der Bühne kippen. Anschließend kommen die Bullen wegen Ruhestörung …
Manchmal hab ich schon gesehen, dass die Gains runtergeschraubt wurden und der Master oben blieb. Das ist falsch! Zieh einfach den Master runter, egal ob er dann bei -30dB steht. Der Sound wird in den Channels gemacht. Da sind eventuell auch Kompressoren, oder Gates insertet, Effekte werden angesteuert und die brauchen einen ordentlichen Pegel.

So, das soll´s erst einmal gewesen sein. Und wie immer: über Kommentare, Anregungen und Hinweise würde ich mich freuen. Alle Texte in diesem Blog sind nur für private Zwecke gedacht. Keine anderweitige Veröffentlichungen ohne meine Genehmigung. Danke.

4 Kommentare

  1. Ja klar! Deswegen gibt´s ja mittlerweile auch Grenzwerte für Lautstärken im Livebetrieb. Außerdem hat niemand was davon sich die Ohren duchzuknallen. Zerschossene Gehörzellen wachsen nicht nach.

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